Pedro Torres

Szenen eines Lebens in Patagonien
Exposé

1. Szene - Idylle

Eine alte Blechdose.
Ohne Etikett.
Vielleicht hat sie einst Bohnen enthalten.
Oder Erbsen.
Ein gelber Nylonfaden um die Mitte aufgerollt.
Ordentlich.
Keine Knoten.
Keine Überschneidungen.
Das Ende verschwindet in der Öffnung oben.
So steht sie auf meinem Schreibtisch.

Obwohl ich Pedro Torres nur dreimal in meinem Leben getroffen habe, glaube ich sagen zu können, dass wir auf eine eigenartige Weise Freunde waren - Freunde, die zwar wenig Zeit miteinander verbracht haben und die zu zwei Welten gehörten, die sich nicht stärker hätten voneinander unterscheiden können. Freunde, die sich aber doch einander genähert haben, eine kleine Weile beieinander geblieben sind, sich erkannt und verstanden haben und die sich dreimal wieder getrennt haben.
Das letzte Mal für immer.
Ohne es zu wissen.

Alles beginnt in Buenos Aires, in der Stadt, in der in Argentinien stets alles beginnt – und endet.
Und so haben wir auch dort unsere lange Reise angetreten.
Ans Ende der Welt und wieder zurück.
Auf der wir Pedro Torres getroffen haben.
Am Lago Cholila.
In Patagonien.

Zufahrt zum Cholila

Wir brechen mit zwei Autos von Buenos Aires aus nach Süden auf. Ein Freund mit seinem höher gelegten, metallicblauen Golf, dessen Auspuff ein nach oben gereckter Schwanenhals ziert, damit in Flussdurchfahrten kein Wasser hineinlaufen kann und mein zehnjähriger Sohn und ich in unserem selbst ausgebauten weißen Volkswagen Campingbus mit aufgespritzten blauen Wolken, einem Modell aus den 70er Jahren, das mit den vielen kleinen Fenstern ringsum, das heute immer noch so in Brasilien als Neuwagen gebaut wird, weil man aus Deutschland die dort veralteten Produktionsstraßen aufgekauft hat.

Wir folgen der Ruta Tres bis nach Ushuaia – 3175 Kilometer, wie ein alter Aschenbecher sagt, den ich mitgebracht habe, besuchen den Lago Argentino und den Perito Moreno Gletscher, bewundern Höhlenmalereien in der Cueva de los Manos am Lago Escondido, sehen versteinerte Wälder und wagen es, die berüchtigte Ruta Cuarenta, eine Staub- und Schotterpiste, die in sehr schlechtem Zustand ist, fast 1500 Kilometer nach Norden zu befahren.

Nun wollen wir zum Lago Cholila, einem nicht sehr großen, etwas abgelegenen See, der etwa 2000 Kilometer südwestlich von Buenos Aires liegt und fast bis auf chilenisches Gebiet in die Anden hineinreicht. Ein geschützter und betreuter Stellplatz wäre uns dabei angenehm.

Die Karte des argentinischen Automobilclubs ACA zeigt, dünn eingezeichnet, eine Zufahrtsstraße von der Ruta zum See, die etwa 20 Kilometer an einem Flusslauf entlang führt.
Doch auf der Höhe, an der diese Straße eigentlich abbiegen sollte, befinden sich nur Weidezäune, und so suchen wir lange Zeit vergebens.
Schließlich entdeckt der Junge, der die schärfsten Augen hat, an einem Gatter ein vielleicht 10 Zentimeter langes Schild mit der verblassten Aufschrift „Camping“.

Wir zögern.

Das kann auch bedeuten, dass man an eben dieser Stelle über Nacht campieren darf – in Argentinien weiß man so etwas nie. Andererseits bietet es aber auch eine hervorragende Ausrede, das Gelände zu befahren.
Also springt der mit den schärfsten Augen und den jüngsten Beinen aus dem Bus, öffnet mit viel Mühe das Gatter, lässt uns durchfahren, schließt es und steigt wieder ein. Ein staubiger, holpriger Weg führt zwischen dornigen Büschen, Pampagras und Disteln einen sanft abfallenden Hügel hinunter.

Für die Autos gerade noch zumutbar.

In einiger Entfernung braunweiß gefleckte Kühe, die uns gleichgültig nachschauen.
Der Weg wird sandiger, die Vegetation saftiger grün, wir nähern uns einem Bach, den Weidenbüsche säumen. Wasserdurchfahrten in Patagonien sollte man sich vorher anschauen, also halte ich und steige aus.

Kühles, klares Wasser strömt eilig über große, Moos bewachsene Kiesel, Flecken von Sonnenlicht blenden. Man wird recht gut passieren können, der Bach ist nicht tief.

Noch eine kurze Erfrischung.
Tut gut nach all dem Staub.

Einsteigen und los. Wasser spritzt auf, fast bis zur Höhe der offenen Fenster, Weidengerten peitschen den Bus. Dann sind wir durch.
Der Weg, der stellenweise eher die Qualität eines Trampelpfades besitzt, führt leicht aufwärts, auf ein weiteres Gatter zu. Wir halten, und der mit den jüngsten Beinen kennt nun schon seine Aufgabe.

Weiter geht es, vor uns ein Pinienwäldchen, das der Straße Schatten spendet. Auf dem Weg liegen große, weit aufgetriebene Pinienzapfen.

Ideal für ein Lagerfeuer.
Brennen schnell und verströmen Aroma.
Wir bleiben stehen und sammeln einen großen Plastiksack voll ein. Der Geruch des Harzes erfüllt den Bus bei der Weiterfahrt. Einen Hügel hinauf wird die Straße so schlecht, dass wir nur noch Schritttempo fahren können und manchmal in Gefahr geraten zu kippen oder abzurutschen. Aber wir geben nicht auf, vorsichtig tasten wir uns voran.

Langsam kriecht der Bus wie ein schwerfälliges Insekt die letzte Steigung hinauf, und da verschlägt es uns den Atem. Die Aussicht, die sich nun bietet, ist albtraumhaft, aber auch umwerfend schön zugleich. Eine Moorlandschaft breitet sich unter uns aus, übersäht mit Millionen lilafarbener Riesendisteln, ein Meer, das mit pechschwarzen Skeletten abgestorbener Bäume wie mit mahnenden Fingern durchsetzt ist. Dahinter erhebt sich in einem majestätischen Blaugrau mit vereinzelten weißen Spitzen die Kette der Anden. Die Tiefe hypnotisiert den Blick und wir lassen uns in die Stille hineinfallen.

Die Straße führt links zwischen dem Abhang und dem violetten Wogen hindurch. Wir folgen ihr, die Augen in grenzenlosem Staunen beständig nach rechts gerichtet.
Dann weicht das Distelmeer zurück, der Hügel links von uns wird flacher, und vorne leuchtet es grün.

Rasenflächen mit Sandkuhlen.
Wir nähern uns dem Fluss.

Mit einem satten Türkis empfängt er uns. Er strömt bedächtig, als wolle er die Landschaft gemütlich auskosten, die ihn umgibt. Große, weiße, runde Kiesel am Rande verlieren sich, zunächst milchig grün und dann tiefer, entfernter. Ein sandiger Weg zieht sich am Ufer entlang. Gerne würde ich dem Spiel der unterschiedlichen Grüntöne des Flusses aufmerksamer folgen, aber Sandwehen und tiefe Kuhlen verlangen die gesamte Konzentration des Fahrers.
Der Bus schwankt.

Vor uns erscheint ein weiterer Weidezaun mit Gatter, einige braunweiße Kühe beäugen uns neugierig von der anderen Seite aus. Der Junge will nicht alleine aussteigen, ein wenig beunruhigen ihn die Tiere doch. So gehe ich mit. Wir öffnen das Gatter, steigen wieder ein und fahren durch, der Freund mit seinem Golf folgt. Die Rinder können das Gatter nicht passieren, auch wenn es offen steht, weil auf der Höhe des Tores mehrere Metallschienen quer gelegt sind, mit Abständen dazwischen, in die die Hufe der Tiere rutschen würden. Weil sie das wissen, bleiben sie wo sie sind.

Der Weg verlässt nun wieder etwas den Fluss, aber man sieht ihn noch. Es wird wieder hügeliger. Auf sandigem Untergrund geht es aufwärts, die Räder drehen manchmal durch. Unter Schwierigkeiten kommen wir voran.

Da biegt der Weg auf einer Kuppe scharf nach links, zum Fluss hinunter, den man in einiger Entfernung tiefgrün leuchten sieht. Die Straße aus Geröll und Sand hängt deutlich nach links, wird zudem schmaler. Wasser strömt an einigen Stellen aus der Böschung und läuft über den Weg, bildet große, manchmal tiefe Pfützen. Die Wegbefestigung links wird zusehends trügerischer. Es gibt hier keine Leitplanke, keinen Holzzaun, nichts trennt den Weg, der nun gerade noch so breit ist wie unser Bus, von einem senkrecht etwa zehn Meter zum Fluss abfallenden Steilabhang.

Ein flaues Gefühl in der Magengegend.
Meine Hände zittern.
Umkehren unmöglich.
Der Weg zeigt jedoch Reifenspuren, die mich beruhigen. Man muss hier durchfahren können. Der Junge neben mir ist mucksmäuschenstill und hält sich an seinem Sitz fest – als würde das gegebenenfalls helfen.

Unendlich langsam taste ich mich voran, im Stillen betend, die Straßenbefestigung möge unter dem Gewicht unseres Busses nicht nachgeben.
So wunderschön türkisgrün und lockend das Wasser auch unter uns leuchtet, hineinfallen möchten wir nicht. Der Bus neigt sich deutlich zum Fluss hin – ein beunruhigendes Gefühl. Vielleicht ist er zu hoch und kippt doch, während niedrigere Autos hier durchfahren konnten! Der Untergrund ist zudem durch das quer laufende Wasser ziemlich rutschig geworden, einige Stellen sind lehmig, und darauf gleitet das ganze Fahrzeug immer wieder zum Fluss hin, so dass ich es danach auf festerem Grund wieder nach rechts zur Böschung hin hochziehen muss. Nichts für schwache Nerven.

Langsam kommen wir so voran und nähern uns dem Ende der Engstelle. Noch ein letztes, gerades Stück, das ich den Bus hinunterlaufen lasse, dann wird der Weg wieder breiter und fester, entfernt sich etwas vom Fluss, Sand und Kieselsteine bieten Halt. Auf einem kleinen Rasenstück halten wir an und schauen uns nach dem Golf um, denn während des problematischen Stückes hatten wir dafür keine Zeit. Er kommt gerade die abhängende Stelle herunter, und auch er hat heftig zu kämpfen, damit sein Fahrzeug nicht abrutscht. Er hält hinter uns an und kommt nach vorne, lehnt sich auf die offene Fahrertür und grinst uns an.

„Das war ein Stück Arbeit, was? Aber habt ihr vielleicht gedacht, ihr seid hier im Urlaub?“ „Wie wär’s mit einem Espresso?“ Solchen selbstlosen Angeboten kann der Freund nie widerstehen und, während ich nach hinten klettere um die Gasflasche, Brennaufsatz, Espressokanne, Wasser und Kaffee hervorzuholen, suchen die beiden einen gemütlichen Platz am Fluss. Die Kanne ist schnell aufgesetzt, und bald spricht sie.
Ich fülle zwei Blechtassen und mache mich auf die Suche nach den beiden, die Autos können ruhig mitten auf der Straße stehen bleiben, denn Durchgangsverkehr gibt hier wenig.
Schließlich finde ich sie, direkt am Wasser auf zwei großen, runden Steinblöcken. Sie sind dabei, trockene, fast weißgraue Treibholzstücke für ein Feuer aufzuschlichten. Nicht weil es wärmen soll – es geht hier nur ums Prinzip. Wenn Indianer Kaffee trinken – Pardon: Espresso – dann tun sie das selbstverständlich stets an einem stilechten Lagerfeuer. Der Junge zündet gerade an, und völlig rauchfrei züngeln Flämmchen eilig empor.

Es knackt leise.
Ich reiche dem Freund eine Tasse.

Wir genießen jeder unsere Tasse Espresso und blicken auf den Fluss.
Ich schreibe einen geliebten Namen auf seine lebendig strömende, lebendige Wasseroberfläche und sehe zu, wie er die Schrift mit sich nimmt auf seinem langen Weg zum Meer. Türkistöne spielen mit sonnendurchfluteten, hellblauen Stellen und rotbraunen Schatten.

Da bewegt sich ein länglicher dieser Schatten, und ich sehe, dass es eine Forelle ist. Augenblicklich erwacht das Angelfieber, zumal das flaue Gefühl in der Magengegend vom letzten Straßenstück geblieben ist. Es hat sich lediglich in Hunger verwandelt.

Ich zeige dem Jungen die Forelle, und auch er ist sofort wie elektrisiert und will die Angelausrüstung holen. Aber wir sollten uns nicht aufhalten, es könnte sonst vielleicht dunkel werden, bevor wir eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden haben, und so vertrösten wir uns auf später. Wir steigen die Uferböschung wieder hinauf. Ich verstaue unsere Espressotassen im Bus, räume Kanne und Gasflasche wieder weg, steige nach vorne und lasse den Motor an.

Weiter geht es, immer dem Flusslauf folgend. Wir sind nun doch sehr gespannt, was uns am Ende dieses Weges erwarten mag.

Der Stellplatz

Der Weg führt ein wenig nach rechts, weg vom Fluss. Es bleibt sandig, und bald erscheint auch wieder ein Weidezaun mit Gatter. Dahinter duckt sich ein flaches, langezogenes, dunkles Holzhaus unter die Bäume.

Der Junge läuft, öffnet das Gatter, wir fahren hindurch, und er steigt wieder ein. Wir halten vor dem Gebäude. Ein sauber gekehrter Weg, von bunten Blumen auf beiden Seiten gesäumt, führt zur Eingangstür.

Sie öffnet sich.
Und so sehe ich Pedro zum ersten Mal.
Das kurze, dunkle, lockige Haar zerzaust, ein freundliches Lächeln umspielt die Mundwinkel, von Sonne und Wind tief eingekerbte Lachfalten umstrahlen braune Augen, die mich offen und gerade anblicken.

„Ah, alemanes! Bienvenido al lago.“ (*
Die Stimme ist tief und weich, strahlt Ruhe und Zufriedenheit aus. Schon fühlen wir uns wohl hier, noch ohne zu wissen, was uns eigentlich erwartet.
Wir hätten das kleine „Camping“-Schild an der Ruta Cuarenta gesehen, ob wir hier richtig seien. „Ja. Sicher. Natürlich. Gerne könnt ihr bleiben. Ist sonst niemand da. Erst vor kurzem beschlossen Camping anzubieten. Waren noch nicht viele hier. Aber es gibt alles. Was ihr braucht. Woher kommt ihr? Ah, aus dem Süden. Bajo Caracoles? Weiter Weg, nicht?

Lebt ein Freund von mir dort. Heißt Pedro. Wie ich. Ihr kennt ihn? Ein großer, dunkler Mann? Viel Bart? Was für ein Zufall! Ihr habt in seiner Hosteria gewohnt? Wie schön! Wie geht es ihm? Ist noch immer das Factotum des Dorfes? Tankwart, Bürgermeister, Postbote und Funker? Aber natürlich. Was für ein Mensch! Ein Schäfchen habt ihr gegrillt? Köstlich! Göttlich! Mit Rotwein. Gab viel Wind? Ja, ich weiß. Manchmal gibt es noch mehr. Das sagt er immer.
Und der Weg hierher zum See? Ein bisschen riskant? Aber befahrbar. Zum Glück. Wollt ihr länger bleiben? Etwa eine Woche. Gut. Werde euch einen Stellplatz zeigen. Es gibt eine Feuerstelle. Und Holz.“
Neben der Haustüre liegt es, säuberlich aufgeschlichtet. Pedro nimmt einen Arm voll auf und bedeutet uns, dass wir ihm mit den Autos folgen sollen. Über kurzes Gras läuft er zwischen niedrigen Bäumen und Büschen hindurch auf den Fluss zu, dreht sich dabei beständig nach uns um, um zu sehen, ob wir ihm auch hinterher fahren können. Ein paar Meter vor der Uferböschung eine gemauerte Feuerstelle, quadratisch, mit einem Rost zum Grillen, davor Platz für die Autos und ein Zelt, ein Halbkreis von weiß blühenden Büschen. Was für eine Idylle! Schnell mache ich den Motor aus, er würde hier stören.

Wir steigen aus. Pedro lässt das Holz neben die Feuerstelle fallen und winkt uns zum Fluss. Teils tiefgrün und ruhig, teils hellblau und eilig empfängt er uns.
„Gibt viele Forellen. Auch große. Kommen vom See.“
Er deutet nach rechts. Wir folgen seiner Hand mit den Augen und sehen den See, aus dem der Fluss entspringt. Glatt wie ein Spiegel erstreckt er sich zwischen hohen Bergen und schroffen Felsformationen bis tief in die Anden hinein, das Ende ist nicht auszumachen.

„Lago Cholila.
Mein See.
Und der See meines Vaters.
Und ein See für meinen Sohn.“

Stolz und Ehrfurcht schwingen in seiner Stimme, vermischen sich zu bedächtiger Ehrlichkeit. Lange ruht sein Auge auf dem Spiegel, und wir unterbrechen ihn nicht.
„Richtet euch ein. In aller Ruhe. Wenn ihr etwas braucht, fragt ruhig. Bis morgen.“
Und schon ist er zwischen den Büschen verschwunden.

So ganz wissen wir nicht, wie uns geschehen ist. Wie von selbst ging das alles, und nun sind wir hier, ohne eigentlich gefragt worden zu sein, ob es uns auch so recht ist. Pedros selbstverständliche Anweisungen würden auch jeden Widerspruch lächerlich erscheinen lassen.
Von so einem Stellplatz haben wir oft geredet. Einsam sollte er sein, aber sicher. Ein Fluss sollte da sein. Und Berge. Und Bäume. Und jemand in der Nähe, den man eventuell um Hilfe bitten kann, ohne dass er lästig fiele.

Pedros See eben.
Lago Cholila.
In Patagonien.

Bedächtig bewegen wir uns –als hätten wir Angst, einen Zauber zu brechen.
Der Junge sucht noch mehr Holz, wobei er darauf achtet, nichts abzubrechen, es könnte Geräusche machen. Dann holt er die Pinienzapfen aus dem Bus und stellt auch sie neben die Feuerstelle. Der Freund baut sein Zelt auf und bereitet einen Topf mit Wasser für die Nudeln vor, die er für besonders nahrhaft hält, besonders wenn es kein frisches Fleisch oder Fisch gibt. Diesbezüglich will ich mich aber noch nicht geschlagen geben und räume die Angelausrüstung hervor.

Kurze Rute mit Blinker.
Sollte für einen ersten Versuch genügen.

Das Gras der Uferböschung geht in Sand und Kiesel über, ich steige hinunter zum Fluss. Der Junge kommt gelaufen und deutet, wohin ich den Blinker werfen soll. Hinter großen Steinen stehen die Forellen am liebsten, das weiß er, hat er doch von uns beiden meist die glücklichere Hand beim Angeln. Aber ein ums andere Mal ziehe ich den Köder ein, ohne das ersehnte, elektrisierende Zucken eines Anbisses zu spüren.

Und dann ruft der Freund uns zu, dass die nahrhaften Nudeln fertig seien, und wer kann so eine Aufforderung schon ablehnen? Er hat sie auf der Gasflasche gekocht, und so bleibt uns das Holz in der Feuerstelle für später als Lagerfeuer. Die Nudeln nähren uns gut, und ein schöner Rotwein hilft bei der Verdauung.
Langsam wird es dunkel.

Das gleichmäßig ruhige Rauschen des Flusses wird nun immer häufiger vom scharfen Zirpen zahlloser Grillen zerschnitten, die sich schließlich zu einem allumfassend tönenden Chor vereinigen. Doch nur kurze Zeit hält dieses Konzert an, dann wird es leiser, klingt nur noch vereinzelt auf und erstirbt schließlich zusammen mit dem letzten Licht des Tages. Die Sonne ist hinter der Andenkette verschwunden.

Der Junge darf nun endlich unser Lagerfeuer anzünden. Fast zärtlich züngeln kleine Flämmchen an den Pinienzapfen entlang, lecken sich nach oben. Es knackt und knistert leise.
Lange sitzen wir und schauen ins Feuer. Jeder sieht dort seine eigenen Bilder, erleuchtet in der rötlichen Bewegung, umrahmt von einer stillen, schwarzen Nacht, die einen schützenden Mantel um uns legt. Es ist schön, gemeinsam zu schweigen.

So endet ein Tag.
In Patagonien.

(* Ah. Deutsche. Willkommen am See