Schatten

(Krimi – Kurzgeschichte )

Lange, schwarze Kittel im späten Tageslicht.
Ziehen einen sanften Hang hinan.
Versteckt unter ihren Kapuzen.
Dort oben.
Dort, wo er sitzt und verträumt in die Abendsonne blickt,
dort versammeln sie sich und bilden einen engen Kreis um ihn.
Sie sehen sich noch einmal fest und ernsthaft in die Augen.
Sich der Zustimmung der anderen versichernd.
Dann erst sind sie selbstbewusst und stark.
Dann erst sind sie ein Volk, das aufsteht wie ein Mann.
Dann erst lachen sie ihn aus.
Den Jungen, der immer so freundlich lächelt,
der so große Augen hat,
ach, so große.
Mit denen er erwartungsvoll zu ihnen aufsieht.
Da stürzt das Lachen wie ein alles überwältigender Wasserfall auf ihn nieder, will ihn überschwemmen, mit sich fort reißen. Aber, so laut es auch in seinen Ohren dröhnt und in seinem Inneren widerhallt, er spürt nichts Bedrohliches. Er nimmt das Lachen der schwarzen Kittel in Einfachheit und Offenheit in sich auf, wie er immer alles in sich aufnimmt, was ihm begegnen mag.
In dieser Welt, in der er glücklich und zufrieden ist.
Denn er besitzt die Freude und die unbesiegbare Heiterkeit.
So bleibt den langen, schwarzen Kitteln im späten Tageslicht ihr eigenes Lachen im Halse stecken und droht, sie zu ersticken, und geschlagen wenden sie sich ab. Ziehen den sanften Hang wieder hinunter, versteckt unter ihren Kapuzen.
Sehen sich nicht um.
Gehen in das düstere Gasthaus, in dem sie zu Hause sind.
Dort schimpfen sie auf die Nazis.

Veröffentlicht in:
Gesichter der Gewalt, Belletris Verlag 2011